Am 21. April 2025 ist Papst Franziskus im Alter von 88 Jahren in Rom verstorben. Geboren und aufgewachsen in Argentinien, war er seit 2013 das erste nicht-europäische Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche in den letzten Jahrhunderten. Jorge Mario Bergoglio, wie der Nachfahre italienischer Auswanderer mit bürgerlichem Namen hieß, stieß bei vielen Menschen auf große Sympathie. Bekannt war er für seine Solidarität mit den Armen und Ausgeschlossenen, seine – wenn auch sehr vorsichtigen – Schritte der Öffnung, etwa in Bezug auf die Rolle der Frau in der Kirche oder gleichgeschlechtliche Paare, für den interreligiösen Dialog und seine Sorge um unseren Planeten angesichts des Klimawandels.
Erst kürzlich verurteilte Papst Franziskus in einem Brief an US-Bischöfe Trumps Massenabschiebungen von Migrant:innen scharf. Er war ein Christ, der die Botschaft Jesu, die Nächstenliebe lebte, das öffentlich zeigte und auch von anderen einforderte. „Seine erste Reise im Amt unternahm er 2013 auf die Insel Lampedusa vor Sizilien, um auf das Schicksal der Bootsflüchtlinge aufmerksam zu machen“, erinnert Pablo Argárate, Kirchenhistoriker an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Graz. Der Argentinier ist nicht nur ein Landsmann des Papstes, sondern hat sich auch intensiv mit dessen Leben befasst. „In den 1970er-Jahren, in der Zeit der Militärdiktatur, leitete Bergoglio als Provinzial die argentinische Provinz des Jesuitenordens, den er sehr autoritär führte“, erzählt Argárate.
Arme im Fokus
Nach einem Studienaufenthalt in Deutschland und seiner Rückkehr nach Argentinien Anfang der 1990er-Jahre habe er sich sehr stark verändert, sagt der Theologe: „Mit großem Ernst wandte er sich von da an den Menschen am Rande der Gesellschaft zu und erlangte große Beliebtheit.“ Als Weihbischof und später Erzbischof von Buenos Aires sowie ab 2001 als Kardinal stellte er die Armen immer in den Fokus. „2013, kurz vor seiner Wahl zum Nachfolger von Papst Benedikt XVI, hielt er eine kurze Rede, in der er betonte, dass die Kirche hinausgehen müsse zu den Menschen, statt darauf zu warten, dass sie von sich aus kommen“, weiß Argárate. In der Begegnung begeisterte er durch seine freundliche, natürliche Art ebenso wie mit seiner einfachen Sprache. „Das machte ihn zum Medienstar“, so der Kirchenhistoriker.
Papst Franziskus wollte, dass seine Kirche - ganz in der Linie des II. Vatikanums - eine pastorale Kirche sein soll, erklärt die Theologin Martina Bär vom Institut für Systematische Theologie und Liturgiewissenschaft. “Er meint damit eine Kirche, die auf die Nöte der Menschen, insbesondere der Marginalisierten in unseren Gesellschaften eingeht”, sagt Bär. “Auf meinen Forschungsreisen war ich immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert worden, dass die Katholische Kirche von der Option für die Armen spricht, aber wenig Konkretes tut. Papst Franziskus war ein Papst, der das ändern wollte.”
Auf die Menschen zugehen, egal ob in oder außerhalb der Kirche, hieß für Franziskus auch, das Gespräch mit anderen Religionen zu suchen. 2019 reiste er als erster Papst in die Arabische Welt. In Abu Dhabi unterzeichnete er mit Sheikh Ahmed el-Tayeb, einem Hauptvertreter des sunnitischen Islam, das „Dokument über die Geschwisterlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“.
Eine Kirche für alle
Hand in Hand mit seiner Hinwendung zu den Armen ging Franziskus‘ Kritik an unreguliertem Kapitalismus und Wirtschaftsliberalismus, „was ihm unter anderem in Osteuropa und den USA den Vorwurf einbrachte, Kommunist zu sein; zusätzlich zur Kritik an seinen – aus Sicht konservativer Kreise – zu großen Reformschritten“, sagt Argárate. Zwar blieb der Papst in Fragen des Zölibats und Frauenpriestertums der bisherigen Haltung der Kirche treu, gleichzeitig aber setzte er deutliche Zeichen der Öffnung gegenüber modernen gesellschaftlichen Entwicklungen, wie etwa mit seiner Zustimmung zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare oder bei der Vergabe wichtiger Stellen. „Im Jänner dieses Jahres setzte er Schwester Simona Brambilla als Präfektin des Ordensdikasteriums ein. Damit steht erstmals eine Frau einer Behörde im Vatikan vor. Mit 1. März 2025 wird Schwester Raffaella Petrini als erste Frau die Leitung der gesamten vatikanischen Verwaltung übernehmen“, ergänzt Argárate.
Manchen Kritiker:innen gingen diese Schritte nicht weit genug, erklärt die Theologin Bär. “Auf der Weltsynode gab es viele Frauenstimmen, die mehr Partizipation eingefordert haben. Vor allem die weiterhin fehlende Zulassung zum Diakonenamat ist eine offene Flanke in der Frauenfrage.” Die Zurückhaltung bei diesem Punkt sieht der Theologe Argárate in der Sorge um die Einheit der Kirche begründet: „Franziskus war es immer ein großes Anliegen, dass sich alle in ihr wiederfinden können, dass es zu keiner Spaltung kommt.“ Als internationale Gemeinschaft stärkte der Papst die Kirche unter anderem durch die Ernennung besonders vieler Kardinäle aus Schwellenländern und dem Globalen Süden, denen er damit mehr Gewicht, Mitsprache und Wertschätzung verlieh.
Die Erde als Geschenk Gottes
In seiner ersten Sozialenzyklika „Laudato si“ aus dem Jahr 2015 legte Papst Franziskus einen Schwerpunkt auf die Ökologie, auf unseren Planeten, den es zu schützen gilt. Er erreichte damit eine große Öffentlichkeit, weit über die kirchliche Gemeinschaft hinaus. „Das Dokument gilt als wichtiger Beitrag im weltweiten Nachhaltigkeitsdiskurs“, sagt Thomas Gremsl vom Institut für Ethik und Gesellschaftslehre der Uni Graz. Auch in dieser Thematik nahm Franziskus einmal mehr Stellung zu aktuellen Herausforderungen, die Menschen und Gesellschaften im Hier und Jetzt mit Blick auf die Zukunft bewältigen müssen.