Der Begriff "Exzellenz" ist in der Wissenschaft allgegenwärtig. Doch was verbirgt sich dahinter? Im Kern beschreibt er das Streben nach Spitzenforschung. Welche Voraussetzungen es dafür in Europa braucht, beleuchtet der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Patrick Cramer, im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Geist und Gegenwart“ Anfang Mai in der Aula der Universität Graz.
Cramer hebt die Bedeutung der Grundlagenforschung hervor und kritisiert die verbreitete Praxis, wissenschaftliche Leistungen primär an der Anzahl der veröffentlichten Papers zu messen. Denn nur weil eine Studie oft zitiert werde, bedeute das nicht, dass sie auch wirklich gut ist. „Die Menge an Publikationen und Zitationen sagt nichts über Originalität und Kreativität aus“, erklärt Cramer. "Eine große Zahl bedeutet nicht automatisch eine große Wirkung.“ Die übermäßige Fokussierung auf quantitative Metriken gefährde die wissenschaftliche Qualität.
Die Suche nach Exzellenz erfordert auch einen Blick zurück. Cramer erinnert daran, dass viele bedeutende wissenschaftliche Durchbrüche auf reiner Grundlagenforschung beruhen. „Heute wissen wir dank Atomuhren, dass Einsteins Relativitätstheorie stimmt. Ein klares Beispiel von Exzellenz“, erklärt Cramer. „Doch bevor Einstein das Kontinuum der Raumzeit postulierte, galt die Physik Newtons als unumstritten. Woher wissen wir also heute, was exzellente Forschung ist?“
Offen für den Zufall
Für Cramer zeichnet sich exzellente Wissenschaft durch Offenheit für Überraschungen aus. Viele bahnbrechende Erfindungen sind durch Zufall entstanden – das nennt man Serendipität. Cramer: „Dieser Begriff beschreibt das Erkennen einer zufällig sich ergebenden Option in der Natur. Und dazu braucht es immer den Menschen, der diesen Glücksfall erkennt.“ So wurde etwa die Genschere CRISPR-Cas rein zufällig entdeckt, führt Cramer aus. „Es ist diese Mischung aus Neugier, Offenheit und dem Wunsch, die Welt zu verstehen, die echten wissenschaftliche Durchbrüchen möglich macht.“
Natürlich steht Europa hier im Wettbewerb mit anderen Forschungsregionen. „Im weltweiten Vergleich spielen wir weiterhin vorn mit“, sagt Cramer. Der entscheidende Vorteil sei die große Vielfalt. Europa biete eine Fülle unterschiedlicher Studienfächer und Forschungsmöglichkeiten, erklärt der Präsident des Max-Planck-Instituts und verweist auf den European Research Council: „Dieser fördert jährlich Forschungsprojekte, die ohne thematische Vorgaben und von Forschenden verschiedener Karrierestufen eingereicht werden können. Bei der Bewertung zählt nur die wissenschaftliche Brillanz des Projekts.“
Diese Anstrengungen sind eine Investition in die Zukunft. Sie sichern Europas Position als Forschungsstandort und ziehen Talente an. Cramer schließt mit dem Hinweis, dass Bildung die Basis jeder Forschung ist. Sie muss auf Fakten basieren und offen für Diskussionen sein: „Wissen ist ein Gebäude, an dem immer weiter gebaut wird. Und die Baumeisterin ist die menschliche Sehnsucht nach wirklich Neuem, die zumindest zeitweise befriedigt wird durch unser Streben nach wissenschaftlicher Exzellenz.“