Promis werden beim Interview oft nach ihren letzten Worten gefragt. Im TV läuft eine neue Doku-Reihe, in der der eigene Sarg bemalt wird. Hospizvereine posten auf Instagram. Auch außerhalb der Karwoche scheint die Auseinandersetzung mit dem Sterben in der Gesellschaft angekommen. In den Organisationen des Gesundheitssystems ist das bislang nur bedingt gelungen. Denn die Begleitung Sterbender und ihrer An- und Zugehörigen in den Pflege- und Hospizeinrichtungen benötigen mehr Zeit und Ressourcen, sorgende Gemeinschaften mehr Unterstützung, meint Klaus Wegleitner, Sorge- und Public-Health-Forscher an der Universität Graz.
„Die meisten haben den Wunsch, zu Hause im vertrauten Umfeld zu sterben“, weiß Wegleitner aufgrund vieler Gespräche. Die Realität sieht anders aus: Knapp zwei Drittel sterben im Krankenhaus, jede:r Sechste im Pflegeheim. „Dafür bräuchte es die nötigen Voraussetzungen, mehr Raum, mehr Aufmerksamkeit. Mit den aktuellen Verhältnissen, den oft schlechten Arbeitsbedingungen und dem Ökonomiedruck in den Einrichtungen geht sich das nur schwer aus“, mahnt der Soziologe ein. Auch die Betreuer:innen müssen mit Verlusterfahrungen umgehen. Daher braucht es mehr Sorge für die Sorgenden. In der Pflege-Ausbildung sowie im Medizinstudium wäre zudem eine Stärkung der Palliativ-Skills, mehr Kommunikation und Ethik wünschenswert.
Um als Gesellschaft füreinander da zu sein, muss der Staat die Rahmenbedingungen und Strukturen schaffen. „Gerade im Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung und in der Integration von ,Sterbekultur‘ in Heimen und in die Hauskrankenpflege ist in Österreich viel gelungen“, räumt der stellvertretende Leiter des Zentrums für Interdisziplinäre Alterns- und Care-Forschung an der Uni Graz ein. Wesentlich ist ein guter Mix an Angeboten und ein Zusammenspiel von professioneller Hilfe und zivilgesellschaftlichem Engagement. „Gutes Sterben zu ermöglichen, ist die Verantwortung jeder und jedes Einzelnen“, hebt Wegleitner hervor. Es gebe dazu bereits zahlreiche internationale Initiativen, die unter dem Begriff der Compassionate (mitfühlenden) oder Caring Communities in Stadtbezirken und Gemeinden Sorge-Netzwerke am Lebensende stärken. Diese dürften jedoch keinesfalls Leistungen eines überforderten Sozialstaates ausgleichen, vielmehr bedarf es strukturierter Unterstützung dieser solidarischen Zusammenschlüsse.
„Über das Sterben reden, in den Familien, in den Schulen oder am Arbeitsplatz, sollte vermehrt stattfinden können“, wünscht sich Wegleitner „Denn in der Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit und der Frage, was uns eigentlich wichtig ist, steckt letztlich viel Lebensorientierung.“ Aber das Sterben solle auch nicht zu einem weiteren Planungsprojekt in unseren Stromlinien-Lebensläufen werden, warnt der Soziologe. Als Quintessenz vieler Interviews bestätigt er: „Tragfähige Beziehungen sind viel wichtiger als der Ort, an dem man stirbt.“ Diese wünscht sich der Wissenschaftler selbst für sein Lebensende: „Ich habe die Hoffnung, dass ich mich nicht um alles kümmern muss und geliebte Menschen für mich da sein werden.“