Donald Trump regiert in seiner zweiten Amtszeit als Präsident noch aggressiver als zuvor, oft per Dekret und ohne den Kongress zu befassen. Auf Demonstrationen skandiert man „Stop the Coup“. Erleben wir gerade einen Staatsstreich in den USA?
Christoph Bezemek: Diese Abgrenzung zwischen erster und zweiter Amtszeit wird ja in der Debatte oft vorgenommen, und sie ist durchaus nachvollziehbar: In der ersten Amtszeit schien vieles ungeplant, erratisch, im Wesentlichen aus einer Laune heraus. Dieses Mal wirkt vieles geplant, nicht weniger überfallsartig, aber vielleicht gerade deshalb überfordernd in der Art und Weise, wie radikal und in welcher Schnelligkeit bestimmte Schritte gesetzt werden. Ich glaube, es wird jetzt viel davon abhängen, wie hoch die Schlagzahl in den nächsten Wochen sein wird, wie stark die Geschlossenheit der Exekutive sich präsentieren wird, die ja an manchen Stellen zu bröckeln beginnt, und wie sehr sich insbesondere die repräsentative Demokratie in Gestalt des Kongresses wieder stärker einbringt. Nach so kurzer Zeit ein endgültiges Urteil zu fällen ist verfrüht, es ist gleichzeitig aber jedenfalls nicht verfrüht zu sagen: Es ist beachtlich, wie viel hier mit welchem Tempo passiert. Sollte das so weitergehen, hätte man tatsächlich ganz fundamentale Fragen zu stellen.
Elon Musk und das Department of Government Efficiency (DOGE) bedienen sich noch nie dagewesener Mittel, offiziell mit dem Ziel „Steuergeld zu sparen“. So entlassen sie etwa massenhaft öffentlich Bedienstete oder beenden Programme für Chancengleichheit (DEI – Diversity, Equity, and Inclusion) und Entwicklungszusammenarbeit (USAID). Erste Entscheidungen zur Rechtmäßigkeit dieser Handlungen sind uneinheitlich – manche erlauben es DOGE, fortzufahren, andere nicht. Wird erst der US Supreme Court hier für Klarheit sorgen können?
Bezemek: Ich glaube das wichtigste Stichwort in dieser Frage lautet „Zuständigkeit“. Im Wesentlichen haben wir es hier mit etwas zu tun, was in der rechtswissenschaftlichen Literatur als „Constitutional Showdown“ bezeichnet wird. Es geht um Kompetenzen und die Frage, wem sie zukommen. Am Ende des Tages fußt die Art und Weise, wie die Trump-Regierung vorgeht, auf einem theoretischen Konstrukt, der sogenannten „Unitary Executive Theory“. Das ist eine Betrachtungsweise, die im Wesentlichen vom Präsidenten ausgehend sämtliche Exekutivgewalt seiner Oberhoheit unter- und dementsprechend auch zu seiner Disposition stellt. DOGE und Musk, der ja, wie jetzt auch regelmäßig vor Bundesgerichten argumentiert wird, nur eine beratende Funktion, aber keine eigentliche Exekutivfunktion haben soll, sind letztlich Ausläufer dieses Verständnisses, dass vor dem Hintergrund der Unitary Executive Theory alles auf Donald Trump als Präsident zurückzuführen ist, der hier nach freiem Dafürhalten schalten und walten kann – und es auch tut.
Zusammengefasst heißt das: Der Showdown ist derzeit wahrscheinlich einer zwischen den Gerichten, der sich in der Rechtsprechung des Supreme Court manifestiert, und der Exekutive in ihrem neuen Selbstverständnis. Das macht das Repräsentantenhaus und den Senat ein Stück weit zu Passagieren. Wie sehr sich die Legislative letztlich in dieses Spiel einfügt, ist wahrscheinlich die interessanteste Frage, die bis zu den Midterm Elections zu beantworten ist.
Elon Musk ist wirklich nur als Berater zu betrachten und nicht als Leiter einer Behörde?
Bezemek: Das ist jedenfalls die Betrachtungsweise, die die amerikanische Verwaltung für sich selbst in Anspruch nimmt. Und das Justice Department sagt ja auch: Herr Musk nimmt diese Rolle organisatorisch so nicht wahr, und indem er sie genauso nicht wahrnimmt, dient er als funktionales Relais zum Präsidenten selbst, als „kurze Leitung“, wenn Sie so wollen. Somit agiert der Präsident selbst in seiner Handhabung von DOGE in der Art und Weise, wie er es eben für richtig hält. Wobei auch hier die Judikative begonnen hat, korrigierend einzugreifen: Es gibt ganz rezente Judikatur, in der ein Bundesgericht ausgesprochen hat, dass es sich bei DOGE um eine Government Agency wie jede andere handelt, die dementsprechend Transparenzvorschriften und dergleichen unterfällt. Hier beginnt also langsam ein Prozess einer organisatorischen Einbettung und Einhegung, die versucht, ordnend in diesen doch etwas unübersichtlichen Prozess einzugreifen.
Die Judikative wird die Trump-Regierung also dazu anhalten, sich festzulegen?
Bezemek: Jeder moderne Verwaltungsstaat - und dementsprechend auch die USA - lebt von einer mehr oder minder starren Organisation, innerhalb derer sich auch Kompetenzen leben und wahrnehmen lassen. Wir erleben jetzt schon, dass ein querliegendes funktionales Konstrukt wie DOGE der Trump-Administration Probleme bereitet, insbesondere hinsichtlich der Kompetenzabstimmung mit den anderen Organisationseinheiten. Marco Rubio zum Beispiel wird nachgesagt, kein besonders großer Freund der Aktivitäten von Herrn Musk und von DOGE zu sein. Er meint, keine Einschränkungen seitens DOGE dulden zu müssen, was die Personalhoheit über das Außenamt oder überhaupt das Staatssekretariat in den USA anlangt.
Christoph Bezemek, Professor am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft, beantwortet noch weitere Fragen zur Situation in den USA, darunter wie es um die akademische Freiheit bestellt ist. ⇒ das komplette Interview zum Nachlesen