Ganz ehrlich: Wer wünscht sich nicht, weniger zu arbeiten? Natürlich bei vollem Lohn! Doch Achtung: Es könnte ein falscher Eindruck entstehen. „Arbeit ist in unserem Leben nach wie vor ein ganz zentraler Faktor, etwa für die Existenzsicherung. Sie strukturiert für viele Menschen den Tagesablauf und bestimmt den sozialen Status. Es spielt nur weniger die Quantität, sondern die Qualität eine Rolle“, bestätigt Bettina Stadler, Wissenschaftlerin am Institut für Soziologie. Die Menschen seien heutzutage häufig gut qualifiziert und stellen hohe Ansprüche an ihre Tätigkeit. Diese soll sowohl unser Dasein finanzieren als auch Sinn machen. „Arbeit ist mit Bedeutung aufgeladen“, hält die Soziologin fest.
Doch nicht nur der Stellenwertvon Beschäftigung verschiebt sich. „Es kommen derzeit einfach viele Veränderungen zusammen“, erklärt sie die Spannungen und intensiven Diskussionen, die aktuell in jener zur Arbeitszeit gipfeln. So sorge die Digitalisierung für Verunsicherung. Wie werden Tätigkeiten künftig aussehen und ablaufen? Wird gar mein Job überflüssig? „Als im Vorjahr Chat-GPT aufkam“, erinnert sich Stadler, „stellten sogar Studierende den Sinn ihrer Ausbildung kurz in Frage.“
Darüber hinaus haben wir es mit einem fundamentalen demografischen Umbruch zu tun. Dieser führe zu einem teils massiven Mangel von Beschäftigten. „Fehlten früher Arbeitskräfte, hat man diese im Ausland angeworben. Doch dies wird zunehmend schwieriger“, weiß Stadler aufgrund von Studien, die sie in den Ländern des Westbalkans durchgeführt hat. Auch im Ausland herrscht oft Mangel an Arbeitskräften.
Dazu kommt, dass der gesellschaftliche Wertewandel sich auf die Arbeit auswirkt. „Für die jüngere Generation ist sie wichtig, aber in einem reduzierteren Ausmaß. Väter wollen sich mehr ihrer Familie widmen“, weiß die Forscherin. Das decke sich dann nicht mit den Wünschen von Unternehmen, die ein erhöhtes Stundenausmaß fordern.
„Grundsätzlich brauche es Rahmenbedingungen, die in eine moderne Arbeitswelt passen“, erkennt Bettina Stadler vor allem politischen Handlungsbedarf. Der Ausbau von Kinderbetreuung sei ein erster Schritt in diese Richtung.