„Sunset Boulevard“. Der Film von Billy Wilder aus dem Jahr 1950 steht auf der langen Liste der besten amerikanischen Filme auf Platz zwölf; gleich hinter „It’s a Wonderful Life“ und einige Nummern vor “Star Wars“ (Platz 17.) Inhaltlich setzt sich der Streifen auf eine sarkastische Art und Weise mit dem System „Traumfabrik Hollywood“ auseinander. Was vielen unbekannt ist: Die Musik zum Film stammt aus der Feder des deutsch-jüdischen Komponisten Franz Waxman, der Anfang der 1930er-Jahre zuerst nach Paris und später dann in die USA auswanderte und für die Musik zu diesem Film mit einem Oscar prämiert wurde. Die bestehende Forschungslücke in Bezug auf Waxman sowie Filmmusik als Teil der Musikgeschichtsschreibung zu begreifen, möchte die Musikwissenschafterin Ingeborg Zechner von der Universität Graz in ihrer Habilitation mit einer Aufarbeitung seines Werkes vor dem Hintergrund technologischer, medialer, soziokultureller und politischer Kontexte der Zeit schließen. Das Projekt wird vom FWF gefördert.
Er war einer der wichtigsten Vertreter der Hollywood-Filmmusik der 1930er- bis 1960er-Jahre. In dieser Zeit bildete sich ein symphonisch geprägter, dennoch stilistisch deutlich vielfältigerer Klangstil heraus: „Man kann diesen Stil gut mit John Williams und dessen Musik für „Star Wars“ in den 70ern vergleichen. Oder auch Howard Shores Musik für „Herr der Ringe“ bezieht sich auf symphonische Hollywood-Filmmusik aus dieser Zeit“, unterstreicht Zechner. Insgesamt zwölf Mal wurde Waxmans Musik für den Oscar nominiert und zweimal damit ausgezeichnet. Umso mehr erstaunte es die Musikwissenschafterin, dass man bislang über das Leben und Werk des Komponisten wenig wusste. Erst durch einen Zufall vor zehn Jahren stieß sie auf ihn: Als Mitarbeiterin eines Musikfestivals hatte sie die Aufgabe, einen Programmhefttext über Waxmans „Carmen Fantasie“ zu verfassen, die heute zu den Standardwerken im virtuosen Violinrepertoire zählt. Eine grundlegende Recherche über den Komponisten in den musikwissenschaftlichen Standardwerken brachte allerdings kaum Informationen zu Tage – vielmehr stieß sie auf Waxmans filmmusikalisches Schaffen, dem letztlich auch die „Carmen Fantasie“ zuzurechnen ist. Das Konzertstück entstammt dem Film „Humoresque“ aus dem Jahr 1946.
Wichtig für die Karriere des Komponisten war seine deutsch-jüdische Herkunft. Viele Komponisten setzten bereits auf eine erfolgreiche Karriere im Bereich der Kunstmusik in Europa auf, bevor sie in Hollywood Fuß fassten. Bei Waxman war das anders. Er nutzte die mit dem Migrationsprozess aus Europa verbundene ideologische Dimension als eine Karrierestrategie. „In den USA der 1930er-Jahre interessierte man sich mitunter aus Prestigegründen sehr für europäische Komponisten mit kunstmusikalischem Hintergrund. Emigration aus Europa und der damit oft pauschalisierend verbundene Kunstmusikbezug war für den Komponisten ein willkommenes Narrativ zur künstlerischen Identitätsbildung “, weiß Zechner. Tatsächlich war er vor seiner Emigration in die USA fest in der deutsch-französischen Unterhaltungs- und Filmindustrie verortet und weniger im Bereich der „Kunstmusik“. Für den Konzertsaal zu komponieren, begann er erst in den USA.
Am Beispiel von Waxman möchte Zechner zeigen, dass Filmmusik als Teil der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts verankert werden soll. Dazu gehört, dass dieses Musikgenre abseits des Kinosaals ab Anfang der 1940er-Jahre in unterschiedlichen medialen Formen verwertet wurde. So etwa als Konzertbearbeitung, theme song aber ab den 1950ern auch als Soundtrack-Album.