Antibiotika galten jahrzehntelang als zuverlässiges Allheilmittel gegen Infektionskrankheiten. Doch die Bakterien sind schlauer als die Medikamente und haben Wege gefunden, die Pharma-Keulen zu überleben – mit fatalen Folgen für PatientInnen: Allein in der EU sterben jährlich 25 000 Menschen an resistenten Keimen, weltweit werden es bis 2050 zehn Millionen pro Jahr sein. „Ohne rasche Gegenmaßnahmen können bald einfache Erkrankungen oder kleine Verletzungen zur Todesursache werden“, warnt Molekularbiologe Joachim Reidl. Um das abzuwenden, müsste zunächst der Einsatz der Medikamente drastisch reduziert werden.
Antibiotika sind auf eine bestimmte Zielstruktur „programmiert“, an der sie ihren „Feind“ erkennen. Das müssen allerdings ganz spezifische Merkmale sein, damit nicht auch für den Körper lebenswichtige Bakterien zerstört werden. In den letzten sechzig Jahren wurde nur eine Handvoll solcher „Targets“ identifiziert. Die Krankheitserreger selbst hingegen sind wesentlich flexibler, können ihre Struktur verändern oder von sich aus Tabletten unschädlich machen. Sie haben nämlich im Zuge ihrer jahrtausendealten Evolutionsgeschichte eine Vielzahl von Strategien entwickelt, um sich selbst gegen andere Stämme zu schützen. Somit steigt die Zahl der resistenten Keime exponentiell. Für die Pharma-Branche ist es unwirtschaftlich geworden, in diesen Kampf zu investieren. „Umso dringender ist universitäre Forschung gefragt“, betont Stefan Schild.
Die Eindämmung von Infektionskrankheiten durch Hygienemaßnahmen und prophylaktische Impfungen sind für ihn die wichtigsten und sinnvollsten Schritte, damit Antibiotika erst gar nicht benötigt werden. „Bei Keuchhusten, Hämophilus influenzae – das Hirnhautentzündungen auslösen kann – oder Pneumokokken hat das bereits Erfolg gezeigt“, erklärt der Molekularbiologe. Er ist mit seinem Team unter anderem an der Entwicklung von Impfstoffen und Therapien gegen bakteriell verursachte Atemwegserkrankungen, Mittelohrentzündungen und Infektionen des Darmtrakts beteiligt.
Eine weitere Strategie gegen Resistenzen sind spezifische Medikamente gegen einzelne Keime. Dafür muss man von jedem Erreger die arteigene Zielstruktur erforschen, was aufwändig und teuer ist. „Auf diese Art und Weise kann man aber Dosis und Dauer der Behandlung stark reduzieren“, betont Joachim Reidl. Am Institut für Molekulare Biowissenschaften laufen mehrere Forschungsprojekte, um die Physiologie der pathogenen Bakterien genau zu erforschen und neue Andockstellen für Antibiotika zu finden.
Mehr zur Forschung der MolekularbiologInnen in der aktuellen UNIZEIT