Eine Auszeit von Alltag, die Notbremse im Hamsterrad, Entspannung vor dem Einschlafen: All das können Gebete sein. „Sie stammen aus der asketischen Tradition und waren eine Einübung ins Loslassen“, schildert der Theologe Peter Ebenbauer. Der Schlaf galt als kleiner Bruder des Todes, mit dem Aufwachen konnte man die eigene Auferstehung feiern. „Diese Einstellung führt einem natürlich die Vergänglichkeit vor Augen, kann aber gleichzeitig eine große Entlastung sein. Wir müssen uns nichts in die Nacht mitnehmen, das uns Sorgen bereitet“, führt der Forscher aus.
Darüber hinaus seien Abend- und Morgengebete gute Übungen, um auf die innere Stimme zu hören. „Man tritt in einen Dialog mit der Quelle des Daseins. Das kann Trost und Hoffnung spenden“, weiß Ebenbauer. Gleichzeitig befreie diese Unterbrechung des Alltags vom Leistungsdruck und gibt Gelegenheit, sich neu zu fokussieren und zu orientieren. Wer mit der Religion nicht mehr viel am Hut hat, könne sich auch selbst Rituale zum Einschlafen oder zwischen Aufwachen und Frühstück gestalten, empfiehlt der Wissenschaftler. „Viele Menschen versuchen heute, durch Mediation, Yoga oder andere Techniken den eigenen Rhythmus wiederzufinden. In der Psychotherapie gibt es ähnliche Ansätze“, weiß Ebenbauer. Beten sei also nichts Verstaubtes, Gestriges.
Peter Ebenbauer ist Liturgiewissenschaftler und beforscht unter anderem die Gemeinsamkeiten von jüdischen und christlichen Gebetsritualen. Am 28. und 29. Oktober organisiert er das Symposium „Rituale – Fenster zum Sinn“ und wird dort religiöse Gepflogenheiten eingehender beleuchten.