Pastoraltheologe Bernd Hillebrand erläutert, ob mit der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare weitere Veränderungen zu erwarten sind.
Kam die Möglichkeit einer Segnung überraschend?
Bernd Hillebrand: Die Möglichkeit der Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren ist vor allem deshalb überraschend, da noch 2021 der Präfekt der Glaubenslehre in einem sogenannten „Responsum ad dubium“ verlauten ließ, dass die Kirche nicht die Vollmacht habe, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. Es ist sicher auch auf Papst Franziskus zurückzuführen, der einen pragmatischen und pastoralen Weg der Barmherzigkeit sucht, aber entscheidend war wohl auch, dass im Sommer 2023 der Präfekt der Glaubenskongregation ausgetauscht wurde.
Ist mit der Segnung in der Katholischen Kirche mehr in Bewegung gekommen?
Hillebrand: Zunächst ist dadurch nicht mehr in Bewegung gekommen, da man an der alten Sexuallehre festhält. Insofern ist zwar eine pragmatische Lösung der Barmherzigkeit gefunden, die aber in ihrer Lehrüberzeugung nach wie vor diskriminiert. Der pragmatische Ansatz allerdings zeigt eine Möglichkeit, wie Veränderung und Bewegung initiiert werden könnten.
Könnte das auch für Frauen die Türen weiter öffnen?
Hillebrand: Die Frage nach der Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren bewegt sich im Bereich der Sexuallehre. Die Zulassung von Frauen zum Amt hingegen liegt im Bereich von Kirchenleitung und Kirchenbild. Daher ist das Thema der Weihe von Frauen fast grundsätzlicher und setzt eine Veränderung in der Lehrvorstellung von Kirche voraus. Allerdings könnte auch hier eine pragmatische Lösung für Überraschung sorgen.
Kirchenrechtlerin Sabine Konrad schildert, ob auch nicht-binäre Personen gesegnet werden dürfen.
Ist die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare aus Ihrer Sicht kirchenrechtlich klar geregelt?
Sabine Konrad: Seit dem Schreiben „Fiducia supplicans“ vom 19. Dezember 2023 gibt es recht klare Vorgaben: Die Segnung der Paare ist nun explizit erlaubt. Das Dokument gibt vor, dass die Segnung außerhalb einer Kirche oder Kapelle stattfinden soll und auch nicht innerhalb einer rituellen Feier.
Wo bräuchte es eindeutigere Festlegungen?
Konrad: Es handelt sich hier um einen Rahmen, der wenig Interpretationsspielraum lässt. Problematisch ist, dass das mit der herrschenden Praxis, die sich entwickelt hat, als die Segnungen noch verboten waren, nicht vereinbar ist.
Ist eine Segnung auch von nicht-binären Menschen geregelt?
Konrad: Alle Menschen können in der katholischen Kirche gesegnet werden. Da schließt das Recht niemanden aus, auch wenn seine Geschlechtsidentität nicht eindeutig ist. Sollte es sich aber um Paare handeln, die nicht aus einem Mann und einer Frau bestehen, gelten die Regelungen, die der Apostolische Stuhl im Dezember 2023 veröffentlicht hat: Sie sind erlaubt, aber nur in einem formal sehr engen Rahmen.
Könnte die Segnung eine Annäherung für eine kirchliche Trauung Geschiedener sein?
Konrad: Hier muss zwischen Trauung und Segnung unterschieden werden. Eine Trauung Geschiedener wird es nicht geben können, solange die kirchliche erste Ehe Bestand hat. Denn eine Ehe mit mehreren Partner:innen ist nicht möglich. Wenn die kirchliche Ehe also noch besteht, kann es selbst nach ziviler Scheidung keine weitere kirchliche Eheschließung geben. Eine Segnung eines Paares, bei dem einer oder beide Geschieden sind, wäre aber jetzt auch ausdrücklich erlaubt.
Liturgiewissenschaftler Peter Ebenbauer erklärt, wie eine Segnungszeremonie aussehen darf.
Die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare darf nicht bei bzw. mit einem Gottesdienst erfolgen. Wie soll/kann eine Zeremonie aussehen? Was ist erlaubt? Was nicht?
Peter Ebenbauer: Grundsätzlich ist es sehr zu begrüßen, dass die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare von der römisch-katholischen Kirche nun offiziell ermöglicht wurde. Die Grenzen sind allerdings sehr eng gezogen. Nicht erlaubt sind liturgische Segensfeiern, die dem Trauungsritus für kirchliche Eheschließungen nachempfunden sind. Die aktuellen Vorgaben zielen darauf ab, dass Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare ausschließlich im Bereich der individuellen seelsorglichen Begleitung und ohne kirchlich geregelte gottesdienstliche Form praktiziert werden. Wie solche Segnungen innerhalb dieser engen Grenzen konkret gestaltet werden, liegt im Ermessen der einzelnen Seelsorger:innen.
Könnte es einmal eine einheitliche liturgische Ausgestaltung geben?
Ebenbauer: Eine gesamtkirchlich geregelte liturgische Form für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ist derzeit nicht in Sicht. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hat zwar im Rahmen des deutschen „Synodalen Weges“ eine solche in Aussicht gestellt. Dies steht allerdings in starker Spannung zur römischen Vorgabe, dass solche Segnungen keine rituelle Ausgestaltung im Sinn eines öffentlichen kirchlichen Gottesdienstes haben dürfen.