Die Bartflechte wächst üblicherweise auf Nadelbäumen und ist auf den ersten Blick recht unscheinbar. Doch sie ist ein bedeutender Hoffnungsträger in der Behandlung von Krebserkrankungen. Der Grund dafür ist der darin enthaltene Wirkstoff Usninsäure, der als Kandidat zur Behandlung von Tumoren oder auch Infektionserkrankungen gehandelt wird. Wie der Stoff genau wirkt, war bisher jedoch ein Rätsel.
Forscher:innen der Universität Graz, in Kooperation mit dem IMP Wien, untersuchten den Prozess und entschlüsselten den Mechanismus, mit dem der Wirkstoff die Teilung von Krebszellen unterbindet. „Usninsäure greift ganz am Anfang der Ribosomenproduktion an“, erklärt Helmut Bergler, Professor am Institut für Molekulare Biowissenschaften der Uni Graz: „Ribosomen sind quasi Maschinen in unseren Zellen, die Proteine herstellen können. Wenn sich eine Zelle teilt, werden viele neue Proteine benötigt und daher auch entsprechend viele Ribosomen.“
Produktion stoppt
Bergler vergleicht die Wirkung von Usninsäure mit einer gezielten Störung in einer Fabrik, welche die Produktion vollständig lahmlegt. „Tumorzellen benötigen enorme Energiemengen und fortwährend neue Ribosomen für ihre schnelle Teilung“, sagt der Molekularbiologe. „Ohne diese wichtigen Zellmaschinenbaustoffe, die Proteine herstellen können, funktioniert das nicht und das Wachstum des Tumors wird stark eingebremst.“ Ein weiterer Vorteil: Gesunde Körperzellen teilen sich weitaus seltener als Tumorzellen und benötigen daher weniger neue Ribosomen. Daher bleiben sie von einer vorübergehenden Störung der Produktion weitgehend unberührt.
Um den Prozess besser zu verstehen, nutzten die Forscher:innen aus Berglers Team Hefezellen. Diese Mikroorganismen produzieren Ribosomen auf sehr ähnliche Weise wie menschliche Zellen und lassen sich leicht im Labor kultivieren. „Was wir bei der Hefe entdecken, kann daher auch bei uns Menschen funktionieren“, erklärt Bergler.
Man ist jedoch noch weit von einer Anwendung an Patient:innen entfernt. Die Forschung zur Wirkung der Usninsäure auf Tumorzellen ist noch nicht abgeschlossen. Die neuen Erkenntnisse stellen jedoch einen großen Fortschritt dar. „Nun kann man gezielt nach Molekülen suchen, die ähnliche Eigenschaften besitzen“, erklärt Bergler. Damit ist ein wichtiger Grundstein für weitere Untersuchungen gelegt, die zu ersten klinischen Tests führen können.