Was haben die Tradition der Heldenverehrung, die in Russland stark ausgeprägt ist, und der Ukraine-Krieg miteinander zu tun? Heute wird insbesondere die russische Armee als heldenhaft verehrt, meint Miriam Finkelstein. Die Universitätsassistentin im Bereich Literatur- und Kulturwissenschaft am Institut für Slawistik an der Universität Graz beschäftigt sich mit der russischen Heroismuskultur:
„Vladimir Putin hat den Kult der Helden des Zweiten Weltkriegs in den vergangenen 20 Jahren intensiviert. Diese Verehrung zeigt sich zum Beispiel bei der alljährlichen Militärparade am 9. Mai, mit der des Sieges über Nazi-Deutschland gedacht wird. Daran knüpft die Inszenierung der heutigen russischen Soldaten an, die als Nachfolger der damaligen Kriegshelden dargestellt werden. Sie sollen die gleiche Hochachtung und den gleichen Respekt genießen wie ihre Vorgänger. Gleichzeitig zählt das Wort ‚Faschist‘ im russischen Sprachgebrauch zu den schlimmsten Schimpfwörtern. An diese Inszenierungen und an diese Rhetorik, die der russischen Öffentlichkeit seit Jahrzehnten vertraut ist, knüpft Putin bei seiner Wortwahl an, die er im Krieg gegen die Ukraine benutzt. Er verunglimpft die ukrainische Regierung und zahlreiche UkrainerInnen als ‚Faschisten‘ und begründet den Angriff mit der ‚Entnazifizierung‘ und ‚Demilitarisierung‘ des Landes.“