Bei den Wahlen zum Europaparlament am 9. Juni dürfen immerhin alle EU-Bürger:innen ihre Stimme abgeben. Über die Zusammensetzung von Landtagen und Parlament dürfen allerdings nur österreichische Staatsbürger:innen entscheiden. Das heißt, dass 19 Prozent der hier lebenden Menschen mit einer Politik leben müssen, die nicht für sie gemacht ist. „Da Nicht-Österreicher:innen keine potenziellen Wähler:innen sind, ist es für die Parteien strategisch auch wenig zielführend, ihre Interessen zu vertreten“, schildert Katrin Praprotnik. „Das behindert die Integration in doppeltem Maße.“ Denn nicht an Urnengängen teilzunehmen, steht in Zusammenhang mit geringem Vertrauen in die Politik, weiß die Wissenschaftlerin aus früheren Studien.
Eine rasche Änderung der Gesetzeslage ist nicht in Sicht. Doch der Anteil ausländischer Staatsangehöriger an der Wohnbevölkerung wird steigen, und viele haben vermutlich kein Interesse daran, ihre Nationalität aufzugeben. Praprotnik schlägt daher vor, nach den heurigen Urnengängen einen Bürger:innenrat einzurichten. „Da könnten sich alle einbringen und die längst fällige Debatte zumindest einmal anstoßen“, meint die Forscherin. Parteien und Parlamentsangehörige hätten dann die Möglichkeit, auf eine Stimmungslage zu reagieren, anstatt selbst Emotionen loszutreten. Als ersten Schritt zu mehr Mitbestimmung würde Praprotnik Instrumente der direkten Demokratie, etwa Volksbegehren, für alle öffnen.