Was ist da los in Amerika? Das fragen sich wohl viele in Europa, wenn sie erleben, mit welcher Unverschämtheit der neue alte US-Präsident Donald Trump seine Macht spielen lässt und dabei von loyalen Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Medien öffentlichkeitswirksam unterstützt wird. „Aus unserer europäischen Perspektive, als Bürger und Bürgerinnen zentralistisch organisierter Staaten, denken wir in Sachen Politik ganz anders als die Menschen in den USA“, sagt Roberta Maierhofer, Leiterin des Zentrums für Inter-Amerikanische Studien der Universität Graz. „Durch die Weite des Landes ist das Leben der Einzelnen viel stärker von regionalen Communitys und der Politik im Bundesstaat geprägt. Diese spielen für die Menschen eine weitaus wichtigere Rolle als die Regierung in Washington, die sich gar nicht zu viel einmischen sollte“, erklärt die Wissenschaftlerin. Das, was sich die Amerikaner:innen von ihrem Präsidenten erwarten, sei in erster Linie, so Maierhofer, die USA zu repräsentieren, als starke, unabhängige Nation. Und genau das tut Donald Trump in den Augen vieler: Er macht, was er will, traut sich zu sagen, was viele denken, verhandelt mit den Mächtigen der Welt aus einer Position der Stärke und verspricht, alle Probleme zu lösen.
America first
Der Lebensstandard ist in den USA im letzten Jahrzehnt gesunken. „Der Mittelstand ist stark geschwächt. Es gibt weniger Sozialausgaben als unter Reagan und reale finanzielle Einbußen“, beschreibt Maierhofer eine Situation, die große Teile der Bevölkerung unzufrieden macht. Trump verspricht Abhilfe und weiß, was zu tun ist: Das Land müsse vor allem wieder auf sich schauen, statt sich um andere zu kümmern. Zölle sollen die eigene Wirtschaft stärken. Auch die geäußerten territorialen Ansprüche auf Grönland, Panama und Kanada als für die USA strategisch wichtige Gebiete entsprechen diesem Denken. „Die Idee, Länder zu kaufen, klingt aus heutiger Sicht absurd, ist aber nicht neu. 1946 hatte US-Präsident Truman der dänischen Regierung 100 Millionen Dollar für Grönland angeboten. 2019 sprach Trump das Thema erneut an“, erinnert Maierhofer. 1917 hatten die USA von Dänemark die karibische Inselgruppe der West Indies – seitdem US Virgin Islands – gekauft, 1867 Alaska vom Russischen Kaiserreich, 1803 Louisiana von den Franzosen.
„Trump folgt verschiedenen kulturellen Narrativen“, sagt die Amerikanistin. Das sind Erzählungen, die das Bild der Vereinigten Staaten geprägt haben. Dazu gehört auch ihre Unabhängigkeit: „Wir lassen uns von niemandem etwas sagen! Die USA betrachten jede Einmischung in die Gestaltung ihrer Außenpolitik als inakzeptabel. Deshalb erkennen sie den Internationalen Gerichtshof auch nicht an“, erklärt Maierhofer. Mit Blick auf Trumps Agieren spricht sie vom „Pippi-Langstumpf-Prinzip: Wir machen uns die Welt, so wie sie uns gefällt. Dabei sind wir furchtlos und kümmern uns nicht um Normen und Regeln des politischen Handelns, anti-establishment.“
Demokratische Kräfte
„Wir in Europa werden Trumps Präsidentschaft wahrscheinlich stärker zu spüren bekommen als die Menschen in den USA“, vermutet Maierhofer und verweist unter anderem auf die angekündigten Zölle, die Forderung zur Zahlung der vereinbarten NATO-Beiträge, die Aussetzung vereinbarter Klimaziele oder den Rückzug der USA als Schutzmacht Europas. „Die Außenpolitik ist die Bühne Trumps und seiner Vertrauten.“ Von den meisten US-Bürgern und -Bürgerinnen bekomme er für seine Vorhaben viel weniger Aufmerksamkeit, erst recht für seine tatsächliche Außenpolitik. „Der Großteil der Bevölkerung interessiert sich überhaupt nicht dafür und ist darüber auch nicht informiert, sondern erwartet sich einfach auf allen Ebenen eine Demonstration der Stärke“, gibt Maierhofer zu bedenken.
Unabhängig davon sei Trumps Agieren mit Blick auf die Demokratie jedenfalls besorgniserregend, so die Amerikanistin. Innenpolitisch könne er über die Besetzung von Posten, wie zum Beispiel Richter:innen, weitreichend Einfluss nehmen, auch über die Zeit seiner Präsidentschaft hinaus. Gleichzeitig aber ist die Wissenschaftlerin zuversichtlich: „Ich vertraue auf die Kräfte der Demokratie in den USA. Die haben sofort nach der Wahl wieder angefangen zu arbeiten, wenn sie auch nicht immer sichtbar sind.“ Die Republikaner wollten unbedingt wieder an die Macht, aber Maierhofer ist sich sicher, dass die Mehrheit der Partei sowie deren Wähler:innen nicht auf einer Linie mit Trump liegen. „Um nicht von wichtigen Positionen ausgeschlossen zu werden, halten sich Kritiker und Kritikerinnen derzeit sehr, sehr bedeckt. Aber es gibt sie.“
Und dann sind da noch die weitreichenden Freiheiten und Befugnisse der Bundesstaaten. Jeder hat seine eigene Verfassung, Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit. Daraus ergeben sich viele demokratiepolitische Einflussmöglichkeiten, die die Macht eines US-Präsidenten, so dominant er auch auftreten mag, klar beschränken.