Krisen, wie sie aktuell das Weltgeschehen bestimmen – vom Klimawandel über Konflikte im Zusammenhang mit Migration bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen – sind ein Nährboden für rechtsextreme Bewegungen. Und die beschwören eine weitere Krise, nämlich jene der Demokratie.
Undemokratische Männlichkeiten
Marion Löffler legt in ihrer Forschung den Fokus auf sogenannte politische Männlichkeiten. „Damit meine ich zum einen Akteure, die sich als starke Männer positionieren und dabei Hierarchien aufbauen, sich selbst Vorteile verschaffen und andere ausschließen“, erklärt die Politikwissenschaftlerin und bringt ein Beispiel: „Herbert Kickl wird unter anderem nicht müde zu wiederholen, dass er die gefährdete österreichische Souveränität retten werde. In verschwörungstheoretischer Manier spricht er internationalen Verträgen und Organisationen wie der EU die Legitimation ab. Wenn er im Bierzelt sagt ,Ich kümmere mich um euch‘, dann verbindet sich die souveräne mit der Beschützer-Männlichkeit“, schildert Löffler und fügt hinzu: „In dem Moment, wo sich jemand unter den Schutz einer Person begibt, ist das auch eine Unterwerfung. Kickl entzieht damit seinen Wähler:innen ihre politische Handlungsfähigkeit.“
Der Begriff der politischen Männlichkeiten beziehe sich aber nicht nur auf spezielle Praktiken, sondern auch auf strukturelle Rahmenbedingungen, die Männer begünstigen und es Frauen erschweren, in der Politik Karriere zu machen. „Das reicht von Männerbünden als Rekrutierungsnetzwerke bis hin zu 20-Stunden-Tagen, die sich mit privaten Sorgearbeiten kaum in Einklang bringen lassen“, so Löffler.
Geschlechterdemokratie als Maßstab
„Politische Männlichkeiten sind ein Problem für den Weg in Richtung Geschlechterdemokratie“, fasst die Genderforscherin zusammen. Diesen Begriff verwendet sie als Maßstab für ein System, in dem alle Menschen gleichermaßen am gesellschaftlichen und politischen Leben teilhaben können, wo niemand aufgrund von Vorurteilen ausgeschlossen oder benachteiligt wird. „In Krisen zeigt sich immer wieder die Bereitschaft, alles was Geschlechterpolitiken angeht, aufzugeben, für die Bewältigung anderer Probleme“, sagt die Politikwissenschaftlerin. Warum das so ist? „Wir wollen vereinfachen. Wir wollen klar die Ursachen der Krisen, eindeutige Zuordnungen und schnelle Lösungen präsentiert bekommen. Und das tun gerade populistische Akteur:innen“, erklärt Löffler. „Als jene, die die Probleme verursachen, werden dann gerne Gruppen bezeichnet, die keine echte Gefahr im Sinne eines Machtfaktors darstellen, wie etwa Feminist:innen, die LGBTQ+ Community, aber auch Migrant:innen.“ Verstärkung holen sich rechtspopulistische Politiker:innen durch das Schmieden entsprechender Allianzen, etwa mit der Anti-Gender-Bewegung oder in Polen die PiS-Partei mit der Katholischen Kirche.
Dr. Marion Löffler lehrt und forscht als Privatdozentin an den Universitäten Wien und Linz sowie an der Hebrew University Jerusalem in den Bereichen politische Theorien, politikwissenschaftliche Geschlechterforschung und interdisziplinäre Gender Studies.
Die Aigner-Rollett-Gastprofessur für Geschlechterforschung bringt regelmäßig international anerkannte Expert:innen aus der Frauen- und Geschlechterforschung an die Universität Graz. Jedes Studienjahr wird sie mit einem besonderen thematischen Schwerpunkt für ein Semester ausgeschrieben. Ihr Name erinnert an die erste in Graz praktizierende Ärztin, Octavia Aigner-Rollet (1877-1959). Die Gastprofessor:innen stärken die internationale Vernetzung der Genderforschung an der Uni Graz und bringen neue Perspektiven ein. Ihre Lehrveranstaltungen stehen allen Studierenden offen und bereichern das fächerübergreifende Studienangebot.