Als Professor für Politische Philosophie beschäftigen Sie sich mit den Stärken der liberalen Demokratie. Wie schwach ist sie angesichts eines US-Präsidenten Trump?
Julian Müller: Wir müssen uns daran erinnern, dass die Welt schon einmal vier Jahre Donald Trump erlebt hat und nicht untergegangen ist. Die Lage ist aktuell stark emotional aufgeladen. Ähnliches habe ich erlebt, als ich bei der ersten Wahl Trumps 2016 als Post-Doc an der Brown University war. Studierende kamen weinend von den Wahlpartys der Demokraten zurück.
Können wir also entspannter sein?
Müller: Ich sehe durchaus die Möglichkeit, dass die Präsidentschaft Schäden an den demokratischen Fundamenten anrichtet. Liberale Demokratie lebt von einer gesunden Diskussionskultur, von Tugenden wie Aufrichtigkeit und Ernsthaftigkeit. Klingt langweilig, ist aber notwendig. Trump und Musk dagegen setzen auf starke Emotionen und Krawallkultur. Das ist natürlich sehr unterhaltsam, aber am Ende auch brandgefährlich.
Haben in diesem Match liberale Politiker:innen überhaupt eine Chance?
Müller: Politiker:innen der Mitte dürfen sich nicht der gleichen Mittel bedienen wie Trump und haben damit einen klaren Nachteil. In den USA wurden aber auch strategische Fehler begangen. Man hat sich zu wenig um die Anliegen der arbeitenden Bevölkerung gekümmert. Das sehen wir ebenso in Europa. Dafür werden Parteien der Mitte jetzt abgestraft.
Können demzufolge Populist:innen wie Trump & Co. ohne Risiko regieren?
Müller: Nein, denn wenn Trump die Wirtschaft an die Wand fährt und das Einkommen der Menschen sinkt, wird er schnell an Zustimmung verlieren. Am Ende interessiert die Bevölkerung nur eins: Resultate. Trump muss also liefern.
Muss und kann eine Demokratie also viel aushalten?
Müller: Demokratie kann viel aushalten. Der demokratische Verfassungsstaat noch mehr. Das Problem von Demagog:innen und Populist:innen ist ja so alt wie die Demokratie. Die Gründerväter der USA haben deshalb, in weiser Voraussicht, die Amtszeit von Präsidenten auf acht Jahre begrenzt.
Denn das Volk hat ja immer Recht, oder?
Müller: Ich halte es hier mir Sir Karl Popper, der gesagt hat: Jeder kann sich irren. Das gilt auch fürs Volk.