Schon im vergangenen Frühjahr hat eine umfassende Studie ergeben, dass das Maskentragen und Testen im Privatbereich für die Hälfte der ÖsterreicherInnen tabu ist. Mittlerweile scheint auch die Impfquote ausgeschöpft. Der Soziologe Franz Höllinger hat sich mit der Akzeptanz von Corona-Maßnahmen in der Bevölkerung beschäftigt.
Was braucht es, um die Menschen zum Impfen zu motivieren, Herr Professor Höllinger?
Franz Höllinger: Wie für viele WissenschafterInnen, PolitikerInnen und andere ExpertInnen ist auch für mich schwer erklärbar, warum sich SO VIELE Menschen in Österreich bisher nicht impfen lassen haben, obwohl seit einigen Monaten alle, die wollen, die Möglichkeit dazu haben.
Können Sie Gründe ausmachen, warum aktuell vier von zehn ÖsterreicherInnen nach wie vor nicht geimpft sind?
Höllinger: Zum Teil handelt es sich um Personen, die fest davon überzeugt sind, dass die COVID-Impfung ihrer Gesundheit schadet oder dass Impfungen kein sinnvoller Weg zur Bewältigung der Covid-Pandemie sind. Viele können nicht nachvollziehen, dass jeder einzelne, der sich impfen lässt, einen Beitrag zur gesellschaftlichen Bewältigung der Corona-Krise leistet. Bei manchen könnte es Bequemlichkeit sein.
Heißt das, dass sich viele gar nie motivieren werden lassen?
Höllinger: Überzeugte ImpfgegnerInnen kann man meiner Erfahrung nach nicht umstimmen. Jegliches Argument zugunsten der Impfung prallt bei Ihnen ab und verstärkt das Gefühl, dass ihre Interpretation der Corona-Krise und ihre ablehnende Haltung richtig ist, die Sichtweise der Regierung und der wissenschaftlichen BeraterInnen hingegen falsch. Auch sonstige Ungeimpfte kann man allein durch logische Argumente nur schwer überzeugen, sondern eher dadurch, dass man den Druck auf sie erhöht, was derzeit in vielen europäischen Ländern in Ansätzen bereits geschieht.
Erzeugt dieser Druck nicht genau das Gegenteil?
Höllinger: Wenn die Impfung für bestimmte Berufsgruppen verpflichtend ist, werden viele dem Druck nachgeben. Nur radikale ImpfgegnerInnen gehen sogar so weit, lieber auf Ihre Arbeit zu verzichten, als sich impfen zu lassen. Auch Verbote für Ungeimpfte, Nachtlokale zu besuchen, an Kulturveranstaltungen, Uni-Lehrveranstaltungen und dergleichen teilzunehmen, dürften bewirken, dass sich ein erheblicher Teil der bisher Ungeimpften immunisieren lässt.
Wie wichtig und sinnvoll sind Ihrer Meinung nach Kampagnen zur Überzeugung der Menschen?
Höllinger: Ich glaube, dass wissenschaftliche Fakten und Argumente bei vielen Ungeimpften wenig bewirken. Dennoch finde ich es wichtig, dass in der Öffentlichkeit argumentative Überzeugungsarbeit geleistet wird. Bei radikalen ImpfgegnerInnen wird das zwar vermutlich die Abwehr noch verstärken. Bei vielen anderen könnten jedoch Argumente – in Verbindung mit Druckmaßnahmen – dazu beitragen, sich doch impfen lassen.