Gemeinsame Studien bildeten die Erfolgsbasis: Wurden vor 20 Jahren noch an jeder Universität getrennte Studien in den Kooperationsfächern angeboten, werden mittlerweile 22 Studien in Biosciences, Chemistry, Earth, Space and Environmental Science, Mathematics und Physics in Union betrieben. Rund 5.300 Studierende nutzen dieses breite Spektrum. Verena Lipic ist eine von ihnen: „NAWI Graz bedeutet für mich, die besten Möglichkeiten von Lehre und Lehrenden beider Universitäten zu kombinieren“, beschreibt die 27-Jährige die universitätsübergreifende Kooperation.
Ein Erfolgsgeheimnis liegt für sie in der Interdisziplinarität, die in Lehre und Forschung angeboten wird. Das spiegelt sich auch in Lipic’ persönlichem Werdegang wider: Lipic startete mit Physik, nach dem Bachelorstudium wechselte sie im Masterstudium zu den Materialwissenschaften. Derzeit arbeitet sie am Institut für Physikalische und Theoretische Chemie und ist überzeugt: „NAWI Graz hat mir ermöglicht, bessere Eindrücke in die Arbeitsweisen und Arbeitsfelder der anderen Forschungsgebiete zu erlangen und Kooperationen im Haus abzuwickeln.“
Die gemeinsame Doktoratsausbildung im Rahmen der NAWI Graz Advanced School of Science (GASS) genießt einen hohen Stellenwert, derzeit werden über 600 Doktoratsstudierende ausgebildet. Die Doktorand:innen sind universitätsübergreifend in Doktoratsschulen (Doctoral Schools) eingebunden und profitieren so von den Ressourcen und von der Betreuung durch Lehrende und Forschende beider Universitäten.
Gemeinsam forschen
Gemeinsame Lehre spart auch Zeit. Diese Zeit kann wiederum in die Forschung investiert werden, wie Michael Kerber vom Institut für Geometrie unterstreicht. „Der gemeinsame Studiengang Mathematik, insbesondere die abwechselnde Abhaltung der großen Basisvorlesungen, reduziert die Lehrbelastung, was indirekt der Forschung zugutekommt.“ Rund 450 gemeinsame Projekte werden im Verbund NAWI Graz betrieben. Das gemeinsame Engagement schlägt sich auch in erfolgreichen Projekteinwerbungen nieder: Die an der Kooperation NAWI Graz beteiligten 36 Institute werben 34,6 Millionen Euro an Drittmitteln ein, das entspricht einem Plus von rund 120 Prozent seit 2006. Auch gemeinsame NAWI Graz-Berufungen sind Usus geworden. Aktuell sind 36 §98-Professor:innen in einem gemeinsamen Verfahren berufen worden.
Gemeinsame Infrastruktur
Es liegt klar auf der Hand: Erfolgreiche Forschung kann nur dann betrieben werden, wenn auch die erforderlichen Geräte zur Verfügung stehen. NAWI Graz hat diesen Umstand erkannt und ab 2008 begonnen, kooperativ genutzte Forschungsinfrastruktur zu fördern. Aktuell wird in 28 Central Labs (Central Labs bündeln thematisch in einem Zusammenhang stehende Geräte an einem Ort) und Core Facilities (einzelne Großgeräte, die mehrere Forschungsgruppen benötigen) nach internationalen Maßstäben geforscht, rund 160 Geräte wurden angeschafft und partnerschaftlich genutzt. Eines der wohl ältesten gemeinsam genutzten Central Labs ist das Central Lab Water, Minerals und Rocks, das 2011 gestartet wurde. Dorothee Hippler vom Institut für Angewandte Geowissenschaften leitet das Central Lab, „ein wertvoller Ort des wissenschaftlichen Zusammenarbeitens, des Entwickelns und des Austausches“, so die Forscherin.
Gemeinsamer Weg in die Zukunft
Der Verbund von NAWI Graz gilt als österreichweites Vorzeigeprojekt und zeigt, wie der Schulterschluss zwischen zwei Universitäten – trotz unterschiedlicher Organisationsstrukturen – funktionieren kann. Mit dem Bau des Graz Center of Physics (GCP) wurde die Kooperation nun auf ein neues Level gehoben: Im Juni 2024 erfolgte der Spatenstich dieses interuniversitären Zentrums, das ab 2030 die Physik-Institute von TU Graz und Uni Graz räumlich vereint. Das Graz Center of Physics gehört zu den größten Universitätsbauprojekten in Österreich.
Neben dem GCP, das derzeit am Campus Uni Graz entsteht, werden in Zukunft auch vier weitere Institute von TU Graz und Uni Graz im NAWI Graz Geozentrum (geplant am Campus Inffeldgasse) noch enger miteinander kooperieren. In diesem Zentrum sollen Synergien aus Geologie und Geotechnik bestmöglich genutzt werden. Der Baustart dieses Bauprojekts wird allerdings nicht vor 2032 erfolgen.