„Die EU-Renaturierungsverordnung stellt für Österreich gewiss eine Herausforderung dar, deswegen sollten aber nicht leichtfertig Ängste geschürt werden“, meint Gerhard Schnedl, Experte für Natur- und Klimaschutzrecht an der Uni Graz. „Bedenkt man, wie schlecht es um Europas Ökosysteme steht, muss das neue Regulativ vielmehr als absolut notwendig betrachtet werden: zur Erhaltung und Verbesserung der Biodiversität, zur Bekämpfung des Klimawandels und der damit verbundenen Naturkatastrophen sowie zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit für kommende Generationen“, ist der Forscher überzeugt.
81 Prozent der geschützten Lebensräume, 39 Prozent der geschützten Vögel und 63 Prozent anderer geschützter Arten in der EU befinden sich, laut Europäischer Umweltagentur, in mangelhaftem oder schlechtem Zustand. Die EU-Renaturierungsverordnung will das ändern. „Bis 2030 sind nationale Wiederherstellungsmaßnahmen für mindestens 30 Prozent, bis 2040 für mindestens 60 Prozent und bis 2050 für mindestens 90 Prozent der geschädigten Flächen von Land-, Küsten- und Süßwasserökosystemen umzusetzen. Hinzu kommt, für die Erholung der Bestäuberpopulationen, also der entsprechenden Insektenbestände, zu sorgen“, fasst Schnedl die für die Mitgliedsstaaten rechtsverbindlichen Ziele zusammen.
Umweltschonende Landwirtschaft
In landwirtschaftlich genutzten Bereichen müssen die Länder, gemäß der Verordnung, bei mindestens zwei der folgenden drei Biodiversitätsindikatoren Fortschritte machen: der Population von Wiesenschmetterlingen, dem Vorrat an organischem Kohlenstoff in mineralischen Ackerböden und dem Anteil der landwirtschaftlichen Flächen mit artenreichen Landschaftselementen, wie Feldgehölzen oder Kleingewässern. Ebenso ist die Zunahme der Population diverser Feldvogelarten gefordert. Landwirtschaftlich genutzte Moorböden sollen teilweise wiederhergestellt werden, auf freiwilliger Basis und mit finanzieller Unterstützung durch die Länder. Die Verordnung sieht aber auch vor, Ziele vorübergehend auszusetzen, wenn sie die Ernährungssicherheit gefährden“, entkräftet Schnedl ein Argument der Kritiker:innen.
Mehr Natur in Wald, Wasser und Stadt
Auch die biologische Vielfalt von Waldökosystemen gelte es zu verbessern, unter anderem durch mehr Baum- und häufige Waldvogelarten. Außerdem sollen EU-weit bis 2030 drei Milliarden zusätzliche Bäume gepflanzt werden.
An Flüssen und Auen müssen bis 2030 künstliche Hindernisse für die Vernetzung von Oberflächengewässern beseitigt werden. Ziel ist, in der gesamten Union mindestens 25 000 Kilometer wieder in frei fließende Flüsse umzuwandeln.
In städtischen Ökosystemen dürfen bis Ende 2030 nicht mehr Grünflächen verbaut als neu errichtet werden. Danach muss eine Zunahme erfolgen. Gleiches gelte für den Baumbestand zur Beschattung.
„Mit welchen Maßnahmen die Mitgliedsstaaten alle diese Vorgaben erreichen wollen, ist ihnen selbst überlassen“, so Schnedl. „Unter Beteiligung der Öffentlichkeit und relevanter Interessenträger:innen muss ein nationaler Wiederherstellungsplan verfasst und in einem ersten Entwurf der EU-Kommission bis 1. September 2026 übermittelt werden.“
7. Grazer Umweltrechtsforum am 20. November 2024
„Biodiversität und Renaturierung im Fokus des Naturschutzrechts. Rahmenbedingungen und Herausforderungen für Politik und Praxis im Zeichen der Klimakrise“.
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