Doodling: Bloß ein TikTok-Trend oder doch eine sinnvolle Lernmethode?
Doodling – was ist das eigentlich?
Doodling bezeichnet das spontane und oft absichtslose Zeichnen kleiner Formen, Muster oder Figuren. Diese Kritzeleien entstehen meist nebenbei – etwa während du telefonierst, zuhörst oder einfach nachdenkst. Oft wirken „Doodles“ chaotisch und es ist nicht wirklich erkennbar, was sie darstellen sollen.
So kann man zumindest das Doodling verstehen, das auf TikTok gerade viral geht. Für Forscher:innen gibt es aber eine wichtige Unterscheidung: strukturiertes vs. unstrukturiertes Doodling. Das unstrukturierte Doodling entspricht unserer Definition des gedankenlosen Vor-Sich-Hinkritzelns. Beim strukturierten Doodling wiederum kritzelst du in eine vorgegebene geometrische Form bzw. schattierst sie auf diese Art und Weise.
Wie soll mir Doodling beim Lernen helfen?
Laut vielen TikToker:innen ist Doodling eine sinnvolle Lernmethode, weil es das Gehirn in einem Zustand „sanfter Aktivierung“ hält. Gerade in Situationen, in denen du dich über längere Zeit konzentrieren musst – wie in Vorlesungen oder beim Lesen von Fachtexten – kann es schnell passieren, dass dein Geist abschweift. Doodling soll dein Gehirn gerade so viel beschäftigen, dass es fokussiert bleibt, ohne von den eigentlichen Informationen abzulenken.
Folgende Ratschläge tauchen immer wieder dazu auf, wie du Doodling beim Lernen am besten einsetzt:
- Wann: während einer Vorlesung oder eines Podcasts, beim Lesen bzw. Lernen von Informationen, beim aktiven Wiederholen
- Wie: auf ein separates Blatt Papier bzw. einfach einen Schmierzettel, ohne hinzusehen, idealerweise mit deiner nicht-dominanten Hand
Was sagt die Forschung dazu?
Wie du vielleicht schon mitbekommen hast, sind sich nicht alle TikToker:innen darin einig, ob Doodling wirklich beim Lernen hilft. Und so verhält es sich auch in der Forschung.
Zwar verweisen überzeugte Doodler:innen auf #studytok oft auf eine bekannte Studie von Jackie Andrade aus dem Jahr 2009, um die Effektivität von Doodling wissenschaftlich zu untermauern. Hier erinnerten sich Teilnehmende tatsächlich besser an Inhalte aus einem Telefongespräch, wenn sie beim Zuhören strukturiert „doodelten“. Seitdem wurden aber zahlreiche Studien mit unterschiedlichen und sich teils widersprechenden Ergebnissen zum Thema Doodling und Lernen publiziert.
Strukturiertes vs. unstrukturiertes Doodling
Insgesamt lässt sich aus den Forschungsergebnissen ableiten, dass ein möglicher positiver Effekt von Doodling auf die Gedächtnisleistung eher durch strukturiertes als unstrukturiertes Doodling zustande kommt (Andrade, Boggs et al., Meade et al., Sundemararan). Boggs et al. argumentieren, dass unstrukturiertes Doodling wohl kognitive Ressourcen in Anspruch nimmt, die für höhere Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistung nötig wären: Beim unstrukturierten Doodling muss ich mich selbst aktiv dafür entscheiden, was ich „kritzle“, während ich beim strukturierten Doodling einfach eine vorgegebene Form schattiere.
Aber: Wenn diese Erklärung zutrifft, sollte das gedankenlose Doodling, das auf TikTok empfohlen wird, ebenso funktionieren!
Zuhören vs. Lesen/Lernen
In mehreren bekannten Studien zu Doodling & Lernen hörten Teilnehmende eine Aufnahme, an die sie sich danach erinnern sollten (Andrade, Boggs et al., Nayar & Koul). Bei Andrades Experiment wussten sie nicht einmal, dass ein Gedächtnistest stattfinden würde. Das ist natürlich eine ganz andere Situation als im Uni-Alltag, wo das Lernen bewusst stattfindet.
Sundaraman konnte den positiven Effekt von Doodling auf die Gedächtnisleistung in einem Klassenraum-Setting replizieren. Auch hier hörten die Schüler:innen aber zu, statt eigenständig z. B. ein Prüfungsskript zu lesen und zu lernen.
Doodling vs. Notizen machen
„Note-taking for the win“, schreiben Spencer-Mueller und Fenske: Bei Studien, in denen sich Teilnehmende an etwas Gehörtes erinnern sollten, schnitt die Methode des Notizen-Machens zumindest gleich gut ab wie Doodling (z. B. Nayar & Koul). Spencer-Mueller und Fenskes erst kürzlich publizierte Studie zeigte sogar, dass Doodling während einer Vorlesung weder Langeweile oder Gedankenschweifen verringert, noch die Aufmerksamkeit oder die Gedächtnisleistung verbessert (Spencer-Mueller & Fenske) – Personen, die Notizen machten, hatten hingegen einen eindeutigen Vorteil.
Doodling vs. Zeichnen
Auch zum Thema Zeichnen und Lernen gibt es interessante Forschungsergebnisse. Anders als beim Doodling handelt es sich hier um eine bewusste Aktivität, die mit dem Lerninhalt in Verbindung steht: Forscher:innen ließen Teilnehmende z. B. einen Löwen zeichnen, wenn sie sich das Wort „Löwe“ merken sollten (Wammes et al. 2019).
Tatsächlich hat ein solches Zeichnen einen positiven Effekt auf die Gedächtnisleistung (Wammes et al. 2016, 2019; Maede et al.; Fernandes et al.). Das liegt daran, dass du die Information auf verschiedenen Ebenen enkodierst, also mental verarbeitest: Du erzeugst ein inneres Bild, führst eine motorische Handlung aus und nimmst dann visuell deine Zeichnung wahr.
Natürlich wirst du im Studium selten Wörter auswendig lernen. Dieses Wissen kann dir aber dennoch helfen, indem du z. B. Bilder oder Symbole für komplexere Lerninhalte findest und diese während des Lernens oder in der Vorlesung aufzeichnest.
Fazit: So kannst du Doodling als Lernmethode nutzen
Auch wenn manche TikToker:innen anderes behaupten: Ganz so sicher ist es nicht, dass Doodling deine Gedächtnisleistung steigert. Manche Studien haben sogar das Gegenteil festgestellt (Boggs et al., Meade et al.). Dennoch raten wir dir, es einfach mal auszuprobieren!
Beim eigenständigen Lernen kannst du dich tatsächlich an die #studytok-Methode halten, bei der du ohne hinzusehen (und somit auch ohne nachzudenken) vor dich hinkritzelst. Du wirst schnell merken, ob dir das hilft oder dich eher ablenkt – beides ist möglich. Und wenn es dich nur davon abhält, aufs Handy zu schauen, hat das auch schon einen positiven Effekt.
Wenn du aktiv wiederholst, könntest du das strukturierte Doodling ausprobieren. Drucke dir dazu vorgefertigte geometrische Formen (z. B. Vierecke, Sterne, Kreise etc.) aus und schattiere sie, während du den Lernstoff in Gedanken oder laut wiederholst.
Während Vorlesungen scheint es immer noch die beste Option zu sein, einfach Notizen zu machen – diese müssen aber nicht nur schriftlich sein: Ergänze sie durch Zeichnungen und Symbole, die den Inhalt widerspiegeln, um das Gehörte besser zu enkodieren. Das ist dann zwar kein gedankenloses Doodling wie auf #studytok, aber mit größerer Wahrscheinlichkeit hilfreich!
Unser Tipp: Wenn du mehr darüber erfahren willst, wie du dich beim Lernen besser fokussieren kannst und welche Merktechniken wirklich funktionieren, besuche gern einen unserer kostenlosen Workshops.
Quellen:
Andrade: “What does doodling do?”
Bruggs et al.: “The effects of doodling on recall ability”
Fernandes et al.: „The surprisingly powerful influence of drawing on memory”
Meade et al.: “Comparing the influence of doodling, drawing, and writing at encoding on memory”
Wammes et al.: “Drawing improves memory: The importance of multimodal encoding context”
Wammes et al.: “The drawing effect: Evidence for reliable and robust memory benefits in free recall”
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