Auratische Erinnerungsorte – Mahnmale und Gedenkmuseen im Zeitalter der ‚Universalisierung des Holocaust‘
Seit sich der Holocaust als die negative Ikone unserer Ära durchgesetzt hat, ist die Erinnerung daran in mehrerer Hinsicht universalisiert. Andere, zuvor noch stärker marginalisierte NS-Opfer wie Roma und Romnja erhalten – quasi im Anschluss an das Erinnerungsgebot an den Holocaust – zunehmend mehr Aufmerksamkeit, was aber zugleich den heute noch grassierenden Antiziganismus sichtbarer macht. Ebenfalls vereitelt dieser Wandel zusehends das unterschiedslose Gedenken an ‚alle Opfer‘ des Zweiten Weltkrieges, so dass Kriegerdenkmäler und Gefallenengedenken im Kontext von Opfermythen verhandelt werden müssen. In postsozialistischen Ländern werden ferner Symbole und Erinnerungspraktiken verwendet, die hierzulande vor allem aus dem Gedenken an den Holocaust bekannt sind, um an die Opfer kommunistischer Verbrechen zu erinnern: individuelle Opferbiographien, ihre Namen, Fotos und Gegenstände einerseits und Symbole kollektiven Leidens, Deportationswaggons oder Gleise andererseits. Zu welchen Ergebnissen führen uns Reflexionen über etwaige dadurch ausgelöste Irritationen? Wenn aus Holocaust-Museen bekannte Ästhetik übernommen, der Fokus aber ausschließlich auf ‚unseren Opfern‘ liegt, die Erinnerung an die Shoa hingegen als bedrohlich weitgehend ausgeblendet wird, ist der Sachverhalt klar. Aber wenn „Stolpersteine“ zum Vorbild genommen werden oder der Deportationswaggon wieder Verwendung findet, nur dieses Mal im Gedenken an die Zwangsverschickungen nach Sibirien?
Der Workshop verhandelt Mahnmale und dem Gedenken an kollektive Traumata gewidmete Museen als auratische, umkämpfte Erinnerungsorte. Im Fokus soll hierbei weniger die Präsentation fertiger Ergebnisse als vielmehr die umfassende Diskussion eigener offener Fragen und Reflexion über das jeweilige Forschungsthema stehen – sowie die politischen Implikationen des jeweiligen Gegenstandes. Sprachen des Workshops: Deutsch und Englisch. Bitte um Anmeldung per E-Mail an: ljiljana.radonic@uni-graz.at
Programm
9:45 Begrüßung und Einleitung:
Gerald Lamprecht, Ljiljana Radonić
10:00 Oto Luthar (Ljubljana):
Monumentalisation of the Past – Radical Oscillations in Memory Politics in Slovenia
10:45 Gerald Lamprecht (Graz):
Orte und Zeichen der Erinnerung. Erinnerungszeichen an die Opfer von Nationalsozialismus und Krieg in der Steiermark – Ein Projektbericht
11:30 Pause
11:45 Stefan Benedik (Graz):
Romani Opfergeschichte/n als das Andere der Erinnerung. Erinnerungszeichen und non-committal memory in Österreich
12:30 Mittagspause
13:15 Anna Shakotko (St. Petersburg/Graz):
„Letzte Adresse“ in Moskau – Eine Initiative von Memorial
14:00 Ljiljana Radonić (Wien/Graz):
Von Gleisen, Deportationswaggons und Privatfotos – Umkämpfte Erinnerung in postsozialistischen Gedenkmuseen
14:45 Pause
15:00 Lukas Nievoll (Graz):
The Use of Photographs in the Museum of Genocide Victims in Vilnius
15:45 Abschließende Bemerkungen