Wie kann reproduktive Gerechtigkeit für alle Menschen erreicht werden? Um dieser Frage nachzugehen, konnte die Universität Graz die Philosoph:in und Geschlechterforscher:in Doris Leibetseder im Rahmen des Elisabeth-List-Fellowship for Gender Research gewinnen. „Den Ursprung hat die Bewegung für reproduktive Gerechtigkeit in den 1990er Jahren in den USA, wobei es um die Diskriminierung von Women of Colour ging. Bald erkannte diese Bewegung, dass auch Queer- und Transpersonen auf ähnliche Weise ausgegrenzt werden“, sagt Leibetseder.
Sie erinnert daran, dass das Recht, eine Familie zu gründen, sowohl durch die Menschenrechtserklärung als auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert ist. Doch gerade bei der Frage des Kinderwunsches herrsche keine Gleichheit. Das trifft vorwiegend auf Personen aus der LGBTQIA+ Community zu.
Situation in Europa
In einem ersten Schritt will Leibetseder zusammen mit ihrem Team nun erforschen, in weit die Situation und die Ziele der Bewegung in den USA mit jener in Europa vergleichbar ist. „Es geht einerseits um die Frage, wie Trans- und Queer-Personen eine Reproduktion ermöglicht wird und andererseits, ob das auf faire Art und Weise geschieht.“ So seien Eizellspenden oder Leihmutterschaft in einigen Staaten in Europa nicht erlaubt – auch in Österreich nicht. Auch Samenspenden könnten nur in Fruchtbarkeitskliniken abgegeben werden. „Bei vielen heterosexuellen Paaren wird die In-vitro-Behandlung von den Krankenkassen bezahlt. Bei lesbischen Frauen ist das nicht der Fall, da es keine medizinische Indikation gibt“, erklärt die Forscher:in.
Auch ein Umzug von einem europäischen Staat in einen anderen kann für Eltern aus der Queer- und Transcommunity problematisch sein. Das beginnt bei der Geburtsurkunde, die nicht geschlechtsneutral formuliert sind, bis hin zur fehlenden Möglichkeit einen „Geburtsvater“ (ein Trans*-Mann, der ein Kind geboren hat) einzutragen. Das kann dazu führen, dass der nicht-biologische Elternteil des Kindes rechtlich nicht anerkannt wird.
Strenge Auflagen
Eine Adoption könne dieses Problem zwar teilweise lösen. Doch auch das sei eine Ungleichbehandlung. Denn dafür müssten behördliche Auflagen eingehalten werden, die für heterosexuelle Eltern nicht gelten. Außerdem dauere der Prozess lange. „Wenn in der Zeit dem biologischen Elternteil des Kindes etwas zustößt, ist die Familie rechtlich nicht abgesichert“, sagt Leibetseder.
Die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit will die Wissenschaftler:in während eines Symposions im Jänner 2024 präsentieren. Das klare Ziel ist, dass die Ergebnisse dann auch zu weiteren Folgeprojekten führen.
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