Vor 15 Jahren hat Spermidin die wissenschaftliche Bühne betreten – in einer damals völlig neuen Rolle: als natürlicher Stoff, der das Leben von Zellen und Organismen verlängert. Diese spezielle Funktion des Polyamins wurde erstmals an der Universität Graz entdeckt. Von hier aus hat Spermidin nicht nur die Fachwelt, sondern auch die Öffentlichkeit als Anti-Aging-Mittel erobert.
Saubere Zellen
Über 100 Labore an angesehenen wissenschaftlichen Einrichtungen weltweit beforschen seitdem die unterschiedlichen Effekte des Polyamins. Und davon gibt es einige. Als Erstes kommt meist die Autophagie ins Spiel, ein Prozess, der die körpereigene Müllabfuhr auf den Plan ruft und der von Spermidin ausgelöst wird. Zellulärer Schrott und überflüssige Zellbestandteile werden so schneller verdaut – und saubere Zellen machen dem Körper weniger Arbeit. Im Lauf der vergangenen eineinhalb Jahrzehnte sind aber noch viele weitere Effekte des Polyamins bekannt geworden. Langzeitstudien am Menschen gibt es aufgrund der relativ kurzen Beobachtungszeit zwar noch nicht viele. Feststeht aber, dass Spermidin in verschiedenen Modellsystemen, darunter anerkannte Alterungsmodelle wie Fliegen, Würmer bis hin zu Säugern wie Mäusen, eindeutige positive Auswirkungen gezeigt hat und somit evolutionär konserviert zu sein scheint.
Herz, Hirn und eine gute Abwehr
Viele präklinische Studien weisen zum Beispiel nach, dass das Polyamin den natürlichen Alterungsprozess von Zellen verlangsamt. Besonders gut erforscht sind diese Effekte im Bereich des Herz-Kreislauf-Systems, des Immunsystems und auch im Gehirn, wo die Ablagerung von Zellschrott zu degenerativen Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson führen kann. Spermidin kann auch die im Alter auftretende Versteifung des Herzmuskels bremsen, Arteriosklerose vorbeugen und hohen Blutdruck senken. Es gibt auch immer mehr Hinweise darauf, dass das Polyamin dem Gedächtnis von T-Zellen auf die Sprünge hilft sowie die Funktion von B-Zellen verbessert – beide spielen in der natürlichen Immunabwehr eine wichtige Rolle. Die Mitochondrien, oft „Kraftwerke“ der Zelle genannt, könnten von Spermidin auch profitieren, weil der Autophagie-Prozess auch hier für einen schnelleren Abbau defekter Mitochondrien sorgt. >> Aktueller Forschungsbericht mit detaillierten Informationen
Zusammenarbeiten am Standort und darüber hinaus
Ein Stoff, viele belegte Wirkungen, die in künftigen Studien noch intensiver beforscht werden sollen. Das Institut für Molekulare Biowissenschaften der Universität Graz kooperiert dabei zum Beispiel mit der Berliner Charité in der Studie SMARTAGE, die herausfinden will, ob Spermidin eine gute Gedächtnisfunktion in älteren Organismen begünstigen kann. Auch lokale Zusammenarbeiten gibt es, etwa mit der Med Uni Graz in der Studie SMARTEST, die sich mit der schützenden Rolle von Spermidin bei Bluthochdruck auseinandersetzt. In anderen Kooperationen wollen die ForscherInnen sich ansehen, was das Polyamin im Bereich von Demenz, Herzinsuffizienz oder bei Impfungen ausrichten kann. Und es soll auch hinsichtlich seiner Wirkung auf die Replikation des Coronavirus untersucht werden. Hierzu gibt es bereits eine Arbeit von WissenschafterInnen der Berliner Charité.
Weizenkeime und andere Lieferanten
Was viele Studien auch gezeigt haben: eine Ernährung, die viel Spermidin enthält, kann dazu beitragen, dass wir länger gesund bleiben. Besonders große Mengen findet sich beispielsweise in Lebensmitteln wie Weizenkeimen, Pilzen oder Brokkoli. Eine gezielte Zufuhr des Polyamins ist auch über Nahrungsergänzungsmittel möglich, von denen mittlerweile viele am Markt sind. Als eines der ersten spin-off Unternehmen der Universität Graz hat die Firma Longevity Labs+ mit spermidineLIFE® vergangenes Jahr auch ein Produkt lanciert, das heuer zum innovativsten, rezeptfreien Medikament Deutschlands gekürt wurde.