Eine Forschungsexpedition im Jahr 2017 und detaillierte Archivdaten aus den 1950er- und 60er-Jahren liefern Jakob Abermann vom Institut für Geographie und Raumforschung der Universität Graz das Material für eine Gletscherstudie, deren Ergebnisse soeben im Journal of Glaciology erschienen sind.
„Wir arbeiten an einer lokalen Eiskappe in Nordgrönland, die mit einer vertikalen Wand von 20 bis 30 Meter Höhe endet“, berichtet Abermann. Solche Formen seien typisch für die Gegend, lassen sich aber aufgrund ihrer Dimensionen und ihrer sehr geringen Schwankungen mit herkömmlichen Methoden schwer dokumentieren. Durch die hochgenauen Daten aus 70 Jahren konnte der Meteorologe mit seinem Team die auf den ersten Blick nicht sichtbaren Veränderungen nachverfolgen. „Der Eisrand ist von der Höhe her relativ gleichgeblieben, aber leicht vorgestoßen. Der Gletscher ist also gewachsen und gleichzeitig – dem Klimawandel geschuldet – dünner geworden“, fasst der Forscher zusammen.
Die Beobachtung dürfte für weite Teile Nordgrönlands gelten. In den letzten, besonders warmen Jahren war der Vorstoß der Gletscher schneller als in der Zeit davor. „Eventuell gibt es hier Zusammenhänge zwischen der Erwärmung des Eises und einer stärkeren Verformung“, vermutet Abermann. Um diesbezüglich Daten zu sammeln und das Phänomen näher zu untersuchen, arbeitet er an einem Antrag für ein weiteres Projekt. Ein besseres Verständnis der Prozesse würde auch die Interpretation der Reaktion des Eisrandes auf klimatische Veränderungen, sowohl in Vergangenheit als auch Zukunft, erleichtern. Die soeben veröffentlichte Studie kann dafür eine wertvolle Grundlage bilden.
Publikation:
Jakob Abermann, Jakob Steiner, Rainer Prinz, Matthias Wecht, Peter Lisager, „The Red Rock Ice Cliff revisited – six decades of frontal, mass and area changes in the Nunatarssuaq area, Northwest Greenland, Journal of Glaciology, Cambridge University Press
DOI: https://doi.org/10.1017/jog.2020.28
Heiße Jahre
Die Klimaentwicklung der letzten Jahre hat Jakob Abermann auch für den soeben erschienenen Bericht der Weltwetterorganisation WMO untersucht. Daraus geht hervor, dass 2015-2019 die heißeste Fünfjahresperiode im industriellen Zeitalter war. Die Corona-Krise würde zwar vorübergehend klimaschädliche Emissionen bremsen, mit einer nachhaltigen Wirkung rechnen die ForscherInnen allerdings nicht. Sie befürchten vielmehr, dass der künftige Aufschwung die Umwelt noch stärker belastet.
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