Der Urlaubsflug in Bali, das Steak aus Argentinien im Restaurant, Kaffee aus der praktischen Kapselmaschine – all das macht unser Leben abenteuerlicher, genussvoller, schicker. Zumindest für den Moment. Aber während diese Gefühle meist schnell vergehen, trägt der Planet einen dauerhaften Schaden davon. Die meisten wissen das. Warum wir trotzdem anders handeln und dafür jede Menge Ausreden parat haben, weiß Thomas Brudermann. Der Psychologe ist assoziierter Professor für Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung an der Uni Graz.
Gleich vorweg stellt der Forscher klar: Es liegt nicht immer nur an den KonsumentInnen selbst. „Sehr oft machen es uns die Strukturen in einem Land es schwer oder nahezu unmöglich, klimafreundlich zu agieren“. Wenn zum Beispiel die Verbindungen mit dem öffentlichen Verkehr teuer sind oder viel zu lange dauern. Dennoch wäre es für alle möglich, mehr für ein gesundes Klima zu tun. Im Alltag, ohne viel Aufwand. Aber mit Umdenken.
Denn, so schildert der Psychologe, wir verfallen viel zu oft einem Konzept, das die Fachwelt „moralisches Lizensieren“ nennt. Damit ist ein Abwiegen von Handlungen gemeint, zum Beispiel so: „Ich fliege drei Mal im Jahr, weil ich immer Müll trenne, wenig Fleisch esse und Strom spare!“ Diese Logik ist verlockend, funktioniert aber nicht, erklärt Brudermann: „Gar nicht zu fliegen, ist für viele von uns viel schwieriger als jeden Tag etwas weniger CO2 zu produzieren. Gleichzeitig ist jeder gesparte Flug so viel effektiver. Denn allein die Strecke von Graz nach Lissabon und retour ‚kostet‘ schon eine Tonne CO2 pro Person.“
Der Experte rät, lieber gar nicht erst zu versuchen, klimaschädliche Verhaltensweisen gegeneinander aufzuwiegen. Stattdessen sollte man sich ein Umfeld schaffen, in dem bestimmte Handlungen ganz normal sind und nicht mehr hinterfragt werden. Sei es das Gemüsekisterl-Abo vom örtlichen Bauernhof, ein regelmäßiger Veggie-Kochabend mit Freunden oder die Öffi-Jahreskarte statt ein Dauerparkticket. Man sollte mit Freunden, KollegInnen und der Familie offen und oft über dieses Thema sprechen. Und er rät zu einer gesunden Portion Pragmatismus: „Ein perfektes Leben, das dem Planeten absolut keinen Schaden zufügt, klappt nicht. Wir sollten aber in unserem eigenen Interesse immer versuchen, ihn so gering wie möglich zu halten und offen sein für neue Ideen, wie wir dieses Ziel erreichen.“
In seinem aktuellen Buch „Die Kunst der Ausrede. Warum wir uns lieber selbst täuschen, statt klimafreundlich zu leben“ (oekom-Verlag, 22,70 Euro) erfasst Brudermann die 25 beliebtesten Ausreden und zeigt Auswege daraus auf. Von „Es ist zu komplex“ über „Neue Technologien werden das Klima retten“ bis hin zu „Klimaschutz schadet der Wirtschaft und damit uns“ oder „Sicher ist nur der Tod“: Wer sich selbst oder andere darin schon entdeckt hat, wird die Lektüre spannend und hilfreich für die nächste Diskussion in Sachen Klimaschutz finden.
>> Mehr zum Buch
>> Weitere Infos und Tipps auf https://www.klimapsychologie.com