Handelsschiffe kommen an. Menschen fahren ab. Gewusel, Verkehr, Sprachenmix. „Mediterrane Hafenstädte stehen für kulturellen Austausch, für gesellschaftlichen Wandel, aber auch für aktuelle Konflikte. Gleichzeitig spiegeln sie eine Jahrtausende alte Geschichte wider und erlauben es, in die Vergangenheit einzutauchen“, sagt Steffen Schneider. Das zeige sich teils heute noch am Straßenverlauf – etwa in Palermo, der auf die Phönizier zurückgeht. Andere Städte, wie Tanger in Marokko, haben es geschafft, sich jüngst zu verändern. „Das bringt Vitalität“, schildert der Romanist für italienische und französische Sprache. „Es sind aber nicht immer Plätze, an die wir gerne reisen“, räumt der Wissenschaftler ein. „Weil sie als Durchgangsorte viele Leute anziehen und Angst machen können.“
Netze zwischen den Häfen
Die Orte zeichne, so Steffen Schneider, enge Beziehungen untereinander und großes Wissen voneinander aus. „Weil sie im Unterschied zu den großen Ozeanen räumlich näher beieinander liegen. Zur Verständigung haben sich früher sogar eigene Verkehrssprachen entwickelt“, berichtet Schneider.
Die zum Meer hingewandte Lage bringe zum einen Offenheit, die ebenso bedrohe sowie bereichere. Zum anderen führe die besondere Topografie zu einem ambivalenten Verhältnis zum Nationalstaat, der im Rücken liege.
Krimi-Schauplatz
Viele Gründe, warum Autor:innen und Filmemacher:innen ihre Handlungen gerne in Hafenstädte verlegen. „Weil sie für das große Ganze einer gesamten Region stehen“, begründet Steffen Schneider die Erzählmodelle.
Natürlich werden, so der Wissenschaftler, auch Klischees bemüht. Zum Beispiel bei den Netflix-Produktionen „Banden von Marseille“ oder „Transatlantic“, die in der südfranzösischen Metropole angesiedelt sind. Generell sind Migration und Verbrechen in Buch und TV wiederkehrende Themen. „Zugleich dienen sie als Schauplatz von Schmuggel, Sexarbeit und Drogenhandel“, erklärt Steffen Schneider. Damit erklärt sich, dass in Mittelmeer-Metropolen von Triest über Genua bis nach Barcelona zahlreiche Krimi-Serien beheimatet sind. „Die Kommissare agieren dabei als Vermittler zwischen den Welten.“
Literaturtipps von Steffen Schneider
- Tahar Ben Jelloun: Verlassen. Berlin Verlag 2014. ► in der Universitätsbibliothek ausborgen
- Jean-Claude Izzo: Die Marseille-Trilogie. Total Cheops, Chourmo, Solea. Unionsverlag 2012. ► in der Universitätsbibliothek ausborge
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