Wer ist zur Verantwortung zu ziehen, wenn ein autonom fahrendes Auto einen Unfall verursacht? Wer haftet, wenn Künstliche Intelligenz in der medizinischen Diagnostik ein Karzinom übersieht oder ein Pflegeroboter einen Patienten fallen lässt? Und gegen wen kann eine Jobsuchende vorgehen, weil sie von einem Algorithmus bei der Sichtung der Bewerbungsunterlagen für eine Stelle diskriminiert wurde? „Wenn ein autonomes System Entscheidungen trifft, die einen Schaden zur Folge haben, ist es nicht so einfach, jemanden dafür haftbar zu machen“, sagt Barbara Steininger vom Zentrum für Europäisches Privatrecht der Uni Graz. Am 5. Mai 2023 wird die Juristin gemeinsam mit drei weiteren Experten diese Problematik beleuchten und Lösungsansätze aufzeigen.
Künstliche Intelligenz kann dazu beitragen, unser Leben sicherer zu machen und Risiken zu minimieren. Autonome Systeme können aber auch Schäden verursachen, ohne dass Menschen etwas falsch gemacht haben. „Sie verarbeiten große Datenmengen, sind sehr komplex und mit anderen Systemen vernetzt. Vor allem bei selbstlernender KI lässt sich oft nicht vorhersagen, was das System tun wird. Und auch im Nachhinein ist es häufig schwer nachzuvollziehen, wie eine Entscheidung zustande kam“, weiß Steininger. Daher kann es für Geschädigte schwierig sein, ihren Schaden ersetzt zu bekommen.
Um zu verhindern, dass Schutzlücken entstehen, brauche es, so Steininger, neue rechtliche Lösungen, wie etwa eine Überarbeitung der verschuldensunabhängigen Produkthaftung. Bei Schäden durch selbstfahrende Autos könne auch die bestehende Gefährdungshaftung den Geschädigten helfen. Auf EU-Ebene gibt es einen Entwurf für eine neue Produkthaftungsrichtlinie sowie erstmals auch für eine KI-Haftungsrichtlinie. Beide werden am Fakultätstag vorgestellt und diskutiert.
Thinking Law Beyond Borders
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz ist nur eine von zahlreichen aktuellen globalen Entwicklungen, die neue rechtliche Fragen aufwerfen. Gute Lösungen können nur gemeinsam erarbeitet werden. „Die Herausforderungen der Gegenwart erfordern es, auch und gerade in der Rechtswissenschaft über räumliche und fachliche Grenzen hinweg zu denken, Kräfte interdisziplinär zu bündeln und einen grenzüberschreitenden Dialog zu fördern“, bringt es Christoph Bezemek, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, auf den Punkt. „Thinking Law Beyond Borders“ titelt darum der heurige Fakultätstag, an dem neben Jurist:innen der Uni Graz auch Expert:innen aus aller Welt Einblicke in neue Denkansätze und einen Ausblick auf das Recht von morgen geben werden. Themen sind unter anderem „Ziviler Ungehorsam der Klimabewegung“, „Borders beyond Law: The EU‘s Elastic Borders“, „Living Human Rights at Universities“, „Defending Constitutionalism under Pressure“, „Russland, quo vadis?“ und „Chatbot statt Bibliothek?“.